Der andere Blick

Terrestrischer Laserscan zeigt verborgene Qualitäten des maximilianischen Zeughauses

Kathrin Aste

 

Point Cloud Laserscan Rondell Zeughaus ./studio3, Universität Innsbruck

 

Das Innsbrucker Zeughaus, errichtet von Kaiser
Maximilian I. um 1500, präsentiert sich als schlichter
Nutzbau. Er verfügt über zwei 80 Meter lange und 10 Meter
breite Längstrakte, die durch zwei kürzere schmale Quertrakte
miteinander verbunden sind und einen rechteckigen
Innenhof umschließen. Dieser großzügige Innenhof ist
auf der Ost- und Westseite durch Rundbogentore zugänglich.
Am nördlichen Eck des Bauwerks befindet sich ein
Rondell, ein runder Wehrbau zum Lagern von Schießpulver.
An den Obergeschoßen der Quertrakte ist noch die
ursprüngliche Fachwerktechnik sichtbar. In den offenen
Hallen des Erdgeschoßes war die Artillerie des Kaisers
untergebracht. Das für das Gebäude typisch hohe und
steile Dach hat noch gotische Einflüsse und verbirgt einen
schönen Holzdachstuhl, der zu einem großen Teil noch
der ursprünglichen Konstruktion entspricht (vgl. Garber,
Josef: Zeughaus Kaiser Maximilians I. in Innsbruck). Diese
bauhistorischen Merkmale sind offensichtlich und erzeugen
das für uns typische Bild des Zeughauses.
3D-Laserscanning-Verfahren ermöglichen einen anderen,
tieferen Blick auf ein Bauwerk und können verborgene
Raum- und Lagebeziehungen verdeutlichen.
Die Architektur und ihre tektonische und topologische
Beschaffenheit werden dadurch ganzheitlicher sichtbar.
So erscheinen beispielsweise im Laserscan des
Zeughauses die konkaven Kreuzgewölbe des Rondells
als konvexe Schalen, die den Raum zum Lagern von Pulver
wie ein Gefäß umschließen. Ebenso beeindruckend
offenbart sich unter dem Dach eine rhythmisch angeordnete,
fragile Holzbalkenkonstruktion, die im Kontrast
zum darunterliegenden schweren steinernen Mauerwerk
steht. Die Punktwolke veranschaulicht mehr als einen
einfachen Nutzbau, sie zeigt das Zeughaus als tektonische
Komposition.

 

Der terrestrische Laserscan
Der terrestrische Laserscan ist ein bildgebendes 3D-Verfahren,
das laserbasierte Streckenmessungen automatisiert
erfasst und daraus ein geometrisches Modell eines
Bauwerks oder eines Objekts erstellt. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Vermessungsmethoden erfasst der Laserscanner
das Objekt flächenhaft und nicht anhand einzelner
repräsentativer Punkte. Dabei wird eine Vielzahl
von Punkten erstellt, welche als Punktwolke bezeichnet
wird. Zusätzlich verfügen Laserscanner über interne
Kameras, deren Bildaufnahmen die Punktwolken mit
Farbinformation ausstatten, um die visuelle Qualität des
digitalen Modells zu steigern.
Beim Erstellen eines Laserscans wird der Scanner, der
auf einem Dreibeinstativ befestigt ist, an mehreren, strategisch
günstigen Punkten aufgestellt, um das gesamte
Bauwerk von innen und von außen zu erfassen. In vertikaler
Richtung erreicht der Scanner einen Winkel von
ca. 300 Grad, in horizontaler von 360 Grad. Während
einer 360-Grad-Umdrehung speichert er alle in diesem
Sichtfeld liegenden Daten. Bei jedem Messvorgang
wird eine neue Punktwolke erstellt. Am Ende werden
alle Punktwolken mit Hilfe von auf GPS basierenden
Referenzpunkten
passgenau übereinandergelegt.

Die Punktwolke, ein interessantes Medium zur Erweiterung
der Raumwahrnehmung.
Durch die Darstellung eines Objektes als Punktwolke
entsteht ein durchlässiger, definitionsoffener Raum, ein
Positiv-Raum, der vom Negativ-Raum durchdrungen
scheint. Der Medienwissenschaftler und Kunstpsychologe
Rudolf Arnheim beschreibt den Negativ-Raum als
den Raum, der die Dinge umgibt, die Hohlräume in den
Objekten selbst, den Raum zwischen den Dingen im Gegensatz
zur festen Materie, die Raumgrenzen definiert
(vgl. Arnheim, Rudolf: To the Rescue of Art, vgl. dazu
Weibel, Peter: Der negative Raum, Teil 1). Es ist der zwischen
den Punkten liegende schwarze Negativ-Raum, der
letztlich den Körper modelliert und beleuchtet.

„Die Punktwolke
veranschaulicht mehr als einen
einfachen Nutzbau, sie zeigt
das Zeughaus als tektonische
Komposition.“

Die Punktwolke enthüllt ein weiteres interessantes
Phänomen.
Die menschliche Raumwahrnehmung verändert
sich an der Schwelle von hell und dunkel entscheidend.
Ähnlich wie den Nachtraum nimmt man die Darstellung
des Raums als Punktwolke auf schwarzem Hintergrund
als gestimmten, atmosphärischen Raum wahr (vgl.
Bollnow, Otto: Mensch und Raum). Die Punktwolke gibt
nicht nur Auskunft über die Geometrie und Lage eines
Objektes, sondern auch über seine unmessbaren Qualitäten.
Es wird demnach offensichtlich, dass Atmosphären
inhärente Elemente der Architektur sind.

 

ferdinandea Nr 49 August – Ok tober 2019